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Mental Health in Gaming: Um herauszufinden, wer wir wirklich sind, müssen wir uns von alltäglichen Mustern lösen – Alexander Böhm – Content Creator

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Anlässlich des Mental Health Awareness Monats rückt Xbox das mentale Wohlbefinden der Gaming-Community in den Fokus. Zwar ist der Mental Health Awareness Month mittlerweile vorbei, doch das ist kein Grund, die Interviewreihe zu beenden. Videospiele können begeistern, aufkratzen und in einen Adrenalinrausch versetzen – sie können aber auch beruhigen, emotional berühren und einen Ausgleich zum Alltag schaffen. Games sind genauso vielfältig wie die Menschen, die sie spielen. Und sie können die unterschiedlichsten positiven Einflüsse auf unsere Psyche haben.

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Heute sprechen wir mit Alexander Böhm, Tech-Enthusiast und erfolgreicher Content Creator auf YouTube – vielen besser bekannt als AlexiBexi. Im Interview spricht Alexander mit uns über seine persönlichen Berührungspunkte mit dem Thema mentaler Gesundheit und darüber, wie er sein Ziel verfolgt, zu sich selbst zu finden.

Hey Alexander! Seit 2008 kennt man Dich als erfolgreichen Tech-YouTuber AlexiBexi – Vorrangig dreht sich bei Deinem Content alles um Gadget-, Tech- und Videospiel-Tests. In einigen Deiner Videos und Social-Postings sprichst Du aber auch ganz offen über das Thema mentale Gesundheit, mit der Du – nach eigener Angabe – selbst immer wieder zu kämpfen hast. Wann hast Du angefangen, dich mit dem Thema Mental Health auseinanderzusetzen?

Das erste Mal, dass ich mich bewusst damit auseinandergesetzt habe, war gegen Ende 2018, wenige Wochen vor meinem 30. Geburtstag. Ich saß in der Metro in New York und ganz plötzlich überkamen mich ganz viele Gedanken. Sie kreisten über Dinge, Pläne und Deadlines, die ich noch alle schaffen und einhalten muss, bevor meine Reise zu Ende war. Dann dachte ich: „Warum habe ich in dieser wunderschönen Stadt keine Zeit dafür, zu tun was ich wirklich möchte?“ Drauf folgten Gedanken wie: „Wozu mache ich das eigentlich? Was von all dem ist wirklich wichtig für mich? Und für wen mache ich das überhaupt?“ Diese Gefühle waren für mich noch nie so greifbar, wie in diesem Moment. Das war dann auch das erste Mal, dass ich etwas zum Thema mentale Gesundheit gepostet habe. Aus dem Gefühl, dass etwas nicht stimmt, wurde ein konkreter Gedanke. Ich habe mich fremdgesteuert gefühlt. Du bist unter Leuten, aber Du bist trotzdem allein.

In einem Deiner Kurzfilme beschreibst Du, dass Du schon von klein auf versucht hast, Dich anderen anzupassen, um dazuzugehören. Wie hast Du zu Dir selbst gefunden?

Der Film damals war ein Projekt, um allgemein gesellschaftliche Problematiken aufzuzeigen und damit möglichst viele Menschen anzusprechen – also weniger persönlich. Ich selbst bin das Thema erst Anfang 2019 ernsthaft angegangen und habe mich reflektiert. Ich hatte das Gefühl, über die Zeit vergessen zu haben, wer ich wirklich bin – habe plötzlich alles hinterfragt, was ich mag und was mich ausmacht. Stell Dir einfach vor, Du denkst darüber nach, dass Du Schokolade magst. Magst Du Schokolade dann tatsächlich oder nur, weil Du Dich daran gewöhnt hast sie zu essen und jeder es normal findet? Einen ähnlichen Gedanken hatte ich damals und der lies mich dann auch bezüglich anderer Bereiche nicht mehr los. Seither versuche ich herauszufinden, ob ich Dinge wirklich mag oder nur, weil ich sie mögen muss. Ich möchte mich wieder selbst definieren können und das kostet tatsächlich mehr Zeit und Kraft, als man sich vorstellt – schließlich hängt man in alltäglichen Mustern fest und davon muss man sich erstmal lösen.

Mittlerweile bist Du einer der größten und erfolgreichsten Content Creator in Deutschland – wie hat sich Dein Leben verändert, als Du mit YouTube angefangen hast?

In der Retrospektive betrachtet, ist YouTube wie eine Achterbahn für mich. Zuerst ging sie steil bergauf, alles war zu Anfang aufregend und neu. Man ist damit erfolgreich, verdient sein erstes Geld. Bergab ging es, als die Multi-Channel Netzwerke groß wurden und alle was vom großen Kuchen abhaben wollten – wir als Creator wurden gemolken ohne Ende. Werbekooperationen wurden immer essenzieller und damit auch die Abhängigkeit davon. Das wirkte sich auf mich aus und hatte definitiv Einfluss auf mein Denken am besagten Tag in der Metro in New York. Ich kann aber nicht direkt sagen, dass YouTube mein Leben verändert hat, denn YouTube ist mein Leben und das beinhaltet positive, wie auch negative Stationen. Das gehört auch dazu, wenn man langfristig dabeibleiben will – und glaub mir, das ist schwerer, als es aussieht.

Wo siehst Du in Deinem Beruf die größten Stolpersteine in punkto mentaler Gesundheit? Wie gehst Du damit um?

Verschiedene Herausforderungen und Probleme nimmt jeder anders intensiv wahr, ich habe aber das Gefühl, hier fehlt es den Menschen grundsätzlich an Verständnis. Meiner Erfahrung nach werden Erkrankungen, die nicht sicht- und greifbar sind, im Netz gern heruntergeredet und klein gemacht. Negative Kommentare sind eben leicht geschrieben, lasten aber umso schwerer auf den Betroffenen. Auch ich bin daher sehr vorsichtig, zu solch sensiblen Themen öffentlich Stellung zu beziehen. In dem Business YouTube denkt man sowieso, man muss nach außen hin immer stark sein und perfekt funktionieren. Eine solche Art von Schwäche zu zeigen, geht nicht. Besonders herausfordernd ist auch, sich bei diesem Job den andauernden Bewertungen der Außenwelt hinzugeben und sich immer hinterfragen zu müssen, ob das Video oder der Post gut oder schlecht bei den Nutzern ankommt. Was bedeutet überhaupt gut oder schlecht? Kann ich es überhaupt allen recht machen? Diese Gedanken nimmst Du mit, wenn die Kamera schon längst aus ist. Denn: einen Sendeschluss gibt es nicht.

In einem Deiner Videos verrätst Du, dass Deine Community nicht nur positiv darauf reagiert, wenn Du über ernste Themen wie Mental Health sprichst – wie gehst Du damit um?

Bereits zu meinem ersten Posting zum Thema mentaler Gesundheit, reagierte prompt jemand mit einer Privatnachricht an mich. Sowas wie: „Hey, ich find dich ja eigentlich ganz cool, aber wenn ich nach einem langen Arbeitstag nach Hause komme, möchte ich unterhalten werden und nicht auch noch Deine Probleme sehen.“ Ich habe in diesem Moment nur gedacht – aber genau das sollte doch eigentlich das Ziel sein! Eben nicht einfach alles auszublenden und weiterzumachen, bis Du keine Kraft mehr hast. Im Vergleich zu den typischen Hate-Kommentaren, empfinde ich solche Reaktionen als noch viel persönlicher. Grundsätzlich reagiere ich darauf aber nicht oder tue das Ganze mit einem Wort oder Satz ab. Denn intensive Auseinandersetzungen würden dann in mein Privatleben fallen und da habe ich schlichtweg keine Lust, mich damit noch lange zu befassen.

Schaffst Du es immer, Dein Arbeits-Ich von Deinem Privaten-Ich zu trennen?

Ich versuche es zumindest, aber man kann ja nicht diese Figur im Internet sein, wenn man nicht auch ein Stück weit selbst diese Figur ist – und umgekehrt. Hinzu kommt, dass sich als YouTuber Arbeit und privates nahezu überlappen. Man kann eben nicht nach Feierabend einfach nach Hause gehen, sondern ist nach Aufnahmen noch mit Nachbearbeitungen, usw. beschäftigt. Dabei befindet man sich dann weiterhin im Arbeits-Ich, damit das Endprodukt auch den Creator widerspiegelt, den man verkörpert. Und wenn das vorbei ist, wartet schon das nächste Videoprojekt und das Ganze geht von vorne los. Irgendwann merkt man kaum noch, in welchen Momenten am Tag man überhaupt noch Privatperson ist.

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Welche Schritte hast Du unternommen, um Deinen psychischen Zustand aktiv zu verbessern und was hat Dir dabei geholfen?

Seit dem Moment in der Bahn vor zwei Jahren, ist die Selbstfindung bei mir noch immer ein Prozess und eher ein Ausprobieren. In jedem Fall ist es ein Zusammenspiel aus verschiedenen Faktoren. Ich versuche zum Beispiel, mich regelmäßig zu reflektieren, greife aber auch auf Hilfe aus meinem direkten Umfeld oder auf Externe zurück. Um herauszufinden, was einen definiert, wofür man steht und um sich endgültig von diesem fremdgesteuerten Gefühl zu lösen, müssen aber vor allem die tief verankerten Muster und der Alltag umstrukturiert werden. Das Bedarf eines sehr langen Prozesses und man muss oft wieder neu ansetzen.

Denkst Du, dass auch Videospiele einen positiven Einfluss auf die psychische Gesundheit haben können?

Ja, das denke ich. Ich würde sogar so weit gehen und sagen, ausschließlich positive Einflüsse. Man muss sich natürlich hinterfragen, welches Spiel in welchem Maße das Richtige ist. Ich komme da gerade drauf, weil ich euer Interview mit der Psychologin Jessica Kathmann zum Thema mentale Gesundheit und Videospiele gelesen habe. Da waren super interessante und spannende Ansätze dabei. Wie zum Beispiel der Teil über Videospiele, die extra für die Psychotherapie konzipiert sind oder Titel, die Erkrankungen in einem Unterhaltungskontext behandeln. Mir kam da sofort das Spiel Grounded in den Kopf, bei dem man im Verlauf auf gigantische Spinnen trifft. Anders als bei Schocktherapien im echten Leben, kann man sich ihnen sehr kontrolliert und im eigenen Tempo nähern. Ich kann mir vorstellen, dass so etwas eine tolle Hilfe bei Ängsten wie Arachnophobie ist. Oder auch wenn Horror-Titel wie Layers of Fear oder Resident Evil mit unseren Ängsten spielen, sind sie gleichzeitig eine Hilfe, um zu verstehen, dass so viel über den Kopf gesteuert wird.

Gibt es bestimmte Spiele, zu denen Du greifst, wenn es Dir schlecht geht? Wenn ja, welche Art Spiele sind es und was lösen sie in Dir aus?

Ich war definitiv mal leidenschaftlicher Spieler, das ist heute – vor allem aus Zeitgründen– stark zurückgegangen. Wenn ich aber dann doch mal die Zeit finde, greife ich gern zu Spielen wie die Sims. Ich finde es einfach gut, zwischenmenschliche Beziehungen und Harmonie simulieren zu können. Auch Hellblade gefiel mir in punkto mentaler Gesundheit sehr, weil ich denke, dass man sich als erkrankte Person sehr gut wiedererkennen kann. Mein absoluter Geheimtipp ist aber Mosaic. Das ist ein düsteres Spiel über Einsamkeit, in dem auch die tägliche Arbeit und der Alltag eine große Rolle spielen. Das großartige dabei ist, hinter jeder Ecke lauert Hoffnung, sodass ich immer gern dazu greife, wenn ich mal wieder eine Erinnerung daran brauche. Seit meiner Schulzeit bis heute ist aber definitiv World of Warcraft mein meistgespieltes Spiel. Hier kann ich nicht nur etwas vom Alltag abschalten, sondern mir auch eine spielerische Stabilität mit genug Freiraum und einer vertrauten Umgebung schaffen. Ich kann dabei sehr selbstbestimmt handeln, kontrolliert und im eigenen Tempo spielen. Ich gehe meinen Spielpflichten nach und höre einfach auf, wenn ich keine Lust mehr habe. Genau das geht im Alltag seit vielen Jahren nicht – einfach aufhören.

Gibt es generelle Tipps oder Ratschläge, die Du Menschen mit psychischen Problemen gerne mit auf den Weg geben möchtest? Vielleicht etwas, das Du gerne selbst schon früher gewusst und anders gemacht hättest?

Diesbezüglich kann ich noch keine konkreten Tipps formulieren, dafür befinde ich mich aktuell noch zu sehr in meinem eigenen Genesungs-Prozess. Ich kann aber gern Ratschläge für die andere Seite benennen – gern auch die, die meine Inhalte konsumieren. Ich habe früher auf meinem Kanal Videos gehabt, in denen ich mich über andere Creator amüsiert und Witze gemacht habe. Das diese Personen unter meinen damaligen Bemerkungen vielleicht gelitten haben, habe ich erst später realisiert. Ich habe mich gefragt, wieso mache ich das eigentlich? Ich kenne diese Leute überhaupt gar nicht! Macht euch bewusst: So etwas ist sehr gefährlich, es hetzt unnötig Menschen gegeneinander auf. Darum verfolge ich heute den Ansatz, lieber über Dinge zu lachen – die sind emotionslos. Denn ein unbedachter Satz an einen Menschen, kann ganz viel Schaden anrichten. Wenn man sich dessen mehr bewusst wäre, hätte auch das Internet die Chance, ein besserer Ort zu werden.

Wir danken Alexander für die Zeit und den faszinierenden Einblick in sein Leben als YouTuber. Weitere Informationen, noch mehr Interviews und die aktuellsten News aus dem Xbox-Kosmos findest Du schon bald hier auf Xbox Wire DACH.

Falls Du von psychischen Problemen betroffen bist, bietet die Stiftung Deutsche Depressionshilfe eine Vielzahl von Tipps, Informationsmöglichkeiten und Anlaufstellen, bei denen Du Hilfe bekommst:

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